Die Partie Rot-Weiss Essen gegen Alemannia Aachen geht heute in die 11.Auflage seit 2013 und gehört nicht umsonst zu den Spielen mit dem höchsten Fanaufkommen in der Regionalliga. Es treffen zwei ungemein traditionsreiche Vereine aufeinander und die Sympathien für den Gegenüber liegen weit unter null. Daher wird es auf den ersten Blick sehr verwundern, dass wir uns gemeinsam, als aktive Fanszenen beider Vereine, mit den nachfolgenden Zeilen an Euch richten. Die Thematik rund um das neue Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen betrifft uns alle in gleichem Maße und steht über jeder Rivalität und Abneigung. Folglich soll Euch dieser gemeinsame Text auf die Problematiken aufmerksam machen und Euch dafür sensibilisieren für Eure Rechte und Grundwerte aufzustehen!

Nein zum neuen Polizeigesetz in NRW – Nein zum Polizeistaat

Was ist das neue Polizeigesetz NRW?

In den nächsten Wochen entscheidet der nordrhein-westfälische Landtag über die Verabschiedung eines neuen Polizeigesetzes. Angelehnt an das in Kraft getretene bayrische PAG – gegen das bereits ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist – sollen die polizeilichen Eingriffsbefugnisse massiv ausgeweitet werden. 
Teilweise darf die Polizei demnach schon bei einer „drohenden Gefahr“ eingreifen. Was dramatisch klingt, entpuppt sich als begrifflich irreführend: Für eine „drohende Gefahr“ ist gerade nicht erforderlich, dass eine Straftat konkret absehbar ist. Bei wem also die reine Vermutung besteht, er könne Straftaten begehen, der wird zum „Gefährder“. Ohne eindeutige Anhaltspunkte können Menschen folglich in Zukunft durch die Polizei in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Darüber hinaus werden zahlreiche neue Maßnahmen wie das Kontaktverbot zu Mitmenschen, die Telefonüberwachung ohne konkreten Tatverdacht oder die bis zu einem Monat andauernde Freiheitsentziehung ohne einen vorherigen Strafprozess eingeführt – alles natürlich rein präventiv, ohne dass eine konkrete Straftat bevorstünde.

Wo ist das Problem dabei?

Begründet werden die Maßnahmen mit einer Stärkung der „Terrorabwehr“. Abgesehen davon, dass die Argumentation einer „terroristischen Bedrohung“ keine empirische Grundlage hat, widerlegt sie sich in der gesetzlichen Neufassung selbst: Wie die „Terrorabwehr“ durch vereinfachtes polizeiliches Einschreiten bei der schwammigen Möglichkeit von Alltagskriminalität (einschlägige Delikte sind u.a. Betrug) gestärkt werden soll, weiß niemand so recht. Die allgemeine Kriminalität wiederum lag im Jahr 2017 rein statistisch auf dem niedrigsten Wert seit 1992. Es erhärtet sich viel mehr der Eindruck, dass der Staat sich bewusst vorbehält gegen sämtliche unbequeme Akteure wie Demonstranten, Gewerkschafter oder eben Fußballfans vereinfacht vorzugehen. 
Deutlich wird: Durch das neue Gesetz formiert sich ein autoritär denkender Staat, dessen Idealbild ein Bürger in vorauseilendem Gehorsam ist. In Zukunft sieht man besser nicht einmal mehr so aus, als plane man etwas Verbotenes. Durch die unklare Rechtsgrundlage ist polizeilicher Willkür Tor und Tür geöffnet. 

Und was habe ich damit zu tun?

Wenn du diesen Flyer liest, wirst du wahrscheinlich ein Fußballfan sein. Vielleicht fährst du auch hin und wieder zu einem Auswärtsspiel. Wer mal mit dem Zug gefahren ist, der weiß: Ärger gibt es irgendwo immer. Du hast nichts damit zu tun? In Zukunft nicht mehr so wichtig. Zur falschen Zeit am falschen Ort und die Personalien sind schnell aufgenommen. Vor dem nächsten Spiel folgen dann weitere Präventivmaßnahmen, vielleicht darfst du als „Gefährder“ gar nicht mehr anreisen. Schließlich warst du schon einmal Adressat einer polizeilichen Maßnahme. Ungerecht und absurd? Richtig, aber bei derart weitläufigen Befugnissen der Polizei werden solche Fälle folgen. Und für ein Gesetz, das auf Abschreckung setzt, nur ein Kollateralschaden. 

Aber ich habe doch nichts zu verbergen!

Wirklich? Stört es dich nicht, wenn die Polizei deine intimsten WhatsApp-Chats mitlesen kann, weil einer deiner Kontakte, vielleicht auch nur unberechtigt, ins Fadenkreuz geraten ist? Es geht nicht darum, ob Du etwas Konkretes zu verbergen hast – es geht darum, dass auch Du ein Recht darauf hast, in deinem Privatleben in Ruhe gelassen zu werden.
Aber gerade, wenn du meinst, nichts zu verbergen zu haben, solltest Du dich in besonderem Maße angesprochen fühlen: Denn insbesondere Menschen, die zufällig verdächtig wirken könnten, klassisch zur falschen Zeit am falschen Ort sind, können jetzt auch polizeilich eingeschränkt werden. 

Und was passiert jetzt?

Im Oktober wird über das Gesetz abgestimmt. Eine vorherige Sitzung des Innenausschusses führte zu keinen Änderungen. Es liegt sogar nahe, dass diese einzig das Kalkül hatte, eine Reaktion auf den Protest zu simulieren. Äußerungen, wie die

von Innenminister Reul in einem Fernsehinterview, er höre nicht auf „Gebrüll“, bezogen auf die Demonstrationen, legen diesen Schluss nahe.
Offen ist, ob noch Korrekturen folgen werden. Selbst wenn es solche geben sollte, ist davon auszugehen, dass sie kosmetischer Natur sind und den obrigkeitsstaatlichen Charakter der Gesetzesnovelle nicht verändern. 
Die Kritik am neuen Polizeigesetz verdient folglich erhöhte Aufmerksamkeit. Als Fußballfans werden wir als Erste betroffen sein. Also tragen wir den Protest in die Stadien.